Die Zukunft der Mobilität in München

Seit der Kommunalwahl im Herbst fungiert Verena Dietl als dritte Bürgermeisterin der Stadt München. Im Gespräch mit ihr erfahren wir, welche Mobilitätspläne die Landeshauptstadt hat und welche Auswirkungen diese haben werden.

02.07.2020 | München und Umgebung, Unkategorisiert

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Mobilitätspläne für München

SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH: 
Welche wesentlichen Veränderungen kommen mit der im Koalitionsvertrag festgelegten Verkehrswende auf die Münchner in den nächsten Jahren zu?

Verena Dietl: 
Die Grundsatzentscheidung zu einer Verkehrswende ist im Münchner Stadtrat schon deutlich vor der Kommunalwahl 2020 in großem Einvernehmen getroffen worden, die neue Koalition im Rathaus wird diese jetzt konkret ausgestalten und umsetzen. Im Wesentlichen geht es um die Umverteilung des vorhandenen Straßenraumes zugunsten von Fuß-, Rad- und öffentlichem Verkehr, aber auch um mehr Aufenthaltsqualität für die Münchnerinnen und Münchner. Die hohe Attraktivität Münchens und der Zuwachs an Beschäftigten und Einwohnern führt zu einem höheren Verkehrsaufkommen, wir sind längst auch die Pendlerhauptstadt Deutschlands.

Münchner Freiheit

Die Münchnerinnen und Münchner werden (…) sich stolz und selbstbewusst darüber freuen, auch in Zukunft in der lebenswertesten Stadt zu wohnen.

– Verena Dietl, 3. Bürgermeisterin der Stadt München

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Konkret werden wir den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, also Busse, Tram und Bahnen. Wir werden mit neuen Fußgängerzonen und einer deutlich autoreduzierten Innenstadt die Lebensqualität steigern und Emissionen reduzieren. Radfahrende bekommen endlich mehr Platz und vor allem mehr Sicherheit. Niemand soll mehr auf ein eigenes Auto angewiesen sein, dafür braucht es aber attraktive Alternativen, die wir jetzt Zug um Zug schaffen.

Für die Münchnerinnen und Münchner bedeutet all das natürlich auch weiter Baustellen, Umgewöhnung und Beeinträchtigungen, zumindest anfangs. Bald aber werden sie sich stolz und selbstbewusst darüber freuen, auch in Zukunft in der lebenswertesten Stadt zu wohnen, die rechtzeitig und vorausschauend handelt.

Baustelle

SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH: 
Ziel der Stadtpolitik ist, neue Stadtquartiere möglichst autofrei planen. Welche Quartiere meint der Koalitionsvertrag und wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?

Verena Dietl: 
Ein einfacher Blick auf den Stadtplan genügt um festzustellen, dass es so viele zu entwickelnde oder überplanbare Flächen in München gar nicht mehr gibt. Es sind beispielsweise Freiham, die frühere Bayernkaserne, vor allem aber die beiden Gebiete im Norden und Nord-Osten, die wir für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Auge haben. Statt überall nur neue Straßen oder Stellplätze im bisher gewohnten Umfang und Maß zu bauen, schweben uns echte und moderne Mobilitätskonzepte und -quartiere vor. Car-Sharing, Leih- und Lastenräder, übertragbare MVV-Karten, eine gute ÖPNV-Anbindung von Anfang an und eine ausreichende Nahversorgung im Quartier machen ein eigenes Auto, das meist ohnehin irgendwo nur herumsteht, dann unnötig. Gerade bei neuen Quartieren kann ein modernes und auch digitalisiertes Verkehrskonzept mit einer Vernetzung der unterschiedlichen Angebote viel leichter umgesetzt werden als im Bestand.

SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH: 
Wie wird sich die Verkehrspolitik auf die Münchner Immobilienpreise auswirken?

Verena Dietl:
Wahrscheinlich wenig bis gar nicht. München ist hochattraktiv und wird es auch bleiben – gerade wegen einer zukunfts- und nachhaltigkeitsorientierten Verkehrswende. Es gibt – leider – keine Anzeichen dafür, dass sich die Immobilienpreise nicht weiter nach oben entwickeln. Solange immer mehr Menschen in die Stadt zum Leben oder Arbeiten drängen, die vorhandenen Flächen aber nicht mitwachsen können, wird die Nachfrage höher als das Angebot sein. Wir können in der Kommunalpolitik nur Symptome lindern und Betroffenen so gut wie möglich helfen. Die Ursachen – Stichwort Bodenwertpolitik – kann nur der Bund angehen. Ich mache mir mehr Sorgen darum, dass sich zunehmend Normalverdienende und beispielsweise Polizei, Pflegekräfte, usw. das Wohnen in München nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Das würde die Lebensqualität und damit auch das Preisgefüge selbst für die „Geldigsten“ in der Stadt viel mehr beeinflussen als jede verkehrspolitische Maßnahme.

München ist hochattraktiv und wird es auch bleiben – gerade wegen einer zukunfts- und nachhaltigkeitsorientierten Verkehrswende.

– Verena Dietl, 3. Bürgermeisterin der Stadt München

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SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH: 
Was ist Ihre Vision von München 2050?

Verena Dietl: 
München ist immer noch die liebens- und lebenswerteste, die sicherste, toleranteste erfolgreichste und attraktivste Großstadt weit und breit. Es gibt keine Ghettos – weder für ärmere noch reiche Menschen, das soziale Gleichgewicht stimmt. Die Stadtgesellschaft ist vielfältig, ausgewogen und vor allem solidarisch: Alle denken nicht nur an sich, sondern immer auch an die anderen. Alles, was zur Daseinsvorsorge gehört, ist in kommunaler Hand und wird nicht von Profitinteressen oder global agierenden Akteuren gesteuert. Die Politik hat das Primat, nicht die Märkte. Die Demokratie funktioniert, rechte Tendenzen waren im Nachhinein betrachtet nur ein kurzes Aufflackern. Die Stadt steht auch finanziell auf guten Füßen, weil Bund und Freistaat die Wichtigkeit der kommunalen Ebene nicht nur verbal betonen, sondern auch tatsächlich berücksichtigen. Der Großraum München hat insgesamt erkannt, dass die Grenzen zwischen Stadt und Umland überwunden werden müssen und handelt abgestimmt und einvernehmlich: zum Wohl der Menschen, der Wirtschaft, der Umwelt und der Region. Durch frühzeitiges und vorausschauendes Handeln der Politik sind die Auswirkungen des Klimawandels in München deutlich geringer als anderswo. Wohnen ist bezahlbarer geworden, auch wenn das Preisniveau immer noch im oberen Drittel liegt. Die Münchnerinnen und Münchner lieben ihre Stadt und blicken voller Zuversicht in die Zukunft.

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Verena Dietl

Vita

  • 1980: geboren in München-Laim
  • 1987-2000: Schulische Ausbildung an Münchner Schulen
  • 1998: Ausbildung zur Altenpflegehelferin
  • 2000-2001: Freiwilliges Soziales Jahr beim Malteser Hilfsdienst
  • 2001-2005: Altenpflegehilfskraft in der stationären und ambulanten Pflege, ASB, AWO
  • 2001-2005: Studium Soziale Arbeit an der Kath. Stiftungsfachhochschule
  • 2005-2020: Angestellte beim AKA e.V. (Migrationsberatung und Aufsuchende Jugendarbeit, ab 2012 Geschäftsleitung)
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Politische Ämter

  • 2002-2020: Mitglied im Bezirksausschuss Laim
  • 2005-2008: Vorsitzende Jusos Oberbayern
  • 2005-2009: Vorsitzende SPD Laim
  • seit 2008: Stadträtin
  • 2016-2019: stellv. Fraktionsvorsitzende der SPD im
  • Münchener Rathaus Seit 2018: stellv. Vorsitzende SPD München
  • 2019-2020: Fraktionsvorsitzende der SPD im Münchener Rathaus
  • seit 2020: 3. Bürgermeisterin der Stadt München