München und seine Erhaltungssatzungen

Das Lehel, Schwabing und das Glockenbachviertel kämpfen schon seit langem mit Luxusmodernisierungen, Wohnungszusammenlegungen und der daraus resultierenden Verdrängung der sich angestammten Bevölkerung durch einkommensstärkere Haushalte. Seit den 1990er Jahren jedoch sehen auch die anderen Münchener Stadtteile mit den Problemen der Gentrifizierung konfrontiert. Ein Gespräch mit Kristina Frank.

14.07.2020 | München und Umgebung, Unkategorisiert

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Im Gespräch mit Kristina Frank

Die Landeshauptstadt München setzt sich dafür ein, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, gewachsene Bevölkerungsstrukturen zu bewahren und Verdrängungsprozesse langfristiger Mieter zu vermeiden. Das Mittel: Erhaltungssatzungen, um ein besonderes Mitspracherecht beim Immobilienkauf zu haben. Mit Kommunalreferentin Kristina Frank sprechen wir über die Auswirkungen und Vorteile dieser Maßnahmen. 

SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH: Das Thema Erhaltungssatzungen ist komplex. Welcher Aspekt daran ist Ihnen besonders wichtig? 

Kristina Frank: Der besondere Charme an Erhaltungssatzungen ist die Bewahrung gewachsener Bevölkerungsstrukturen in den einzelnen Münchner Stadtteilen. So können wir die Identität unserer schönen Stadt schützen und sorgen auf dem angespannten Wohnungsmarkt für Steuerung im Interesse der Stadtgesellschaft. Die Erhaltungssatzung ist ein Baustein der öffentlichen Hand, mit welchem beispielsweise „Entmietungen“ in gewissen Umfängen abgemildert werden können. So kann die Stadt München in nicht unerheblichem Maße zum Schutz von Mieterinnen und Mietern beitragen.

SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH: Aktuell gibt es 26 Erhaltungssatzungsgebiete in München. Ist geplant, diese über die ganze Stadt auszuweiten?

Kristina Frank: Ausweitungen von Erhaltungssatzungsgebieten müssen ganz konkret geprüft werden. Natürlich muss es dabei Aufgabe der Stadt sein, die zur Verfügung stehenden Instrumente immer an die aktuellen Entwicklungen anzupassen und ggf. neue Erhaltungssatzungsgebiete auszuweisen. Eine Ausweitung über das gesamte Stadtgebiet ist momentan rechtlich jedoch nicht möglich.

Wohngebiet

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SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH: Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie als Kommunalreferentin für den Münchner Immobilienmarkt?

Kristina Frank: Die von der Stadt für eine Abwendung des Vorkaufsrechts geforderten Bindungen in den Erhaltungssatzungsgebieten stellen für Investoren häufig eine finanzielle Hürde dar. Dementsprechend kommt es in einigen Fällen dazu, dass keine Bereitschaft zur Abgabe einer geeigneten Abwendungserklärung besteht und die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausüben kann. In einem ausgewogenen Verhältnis von Angebot und Nachfrage würde sich diese Hürde auch in der Bemessung des Kaufpreises widerspiegeln. In einer Stadt mit einer derart hohen Nachfrage nach Wohnraum (nachfrageorientierter Markt) wie München kann es jedoch auch vorkommen, dass Kaufpreise ohne Berücksichtigung der Bindungen der Abwendungserklärung seitens der Verkäufer/innen zugrunde gelegt werden.

Generell lässt sich jedoch festhalten, dass der Münchner Immobilienmarkt nach wie vor außerordentlich attraktiv ist und weiterhin Preissteigerungsraten aufweist. Die Attraktivität liegt insbesondere darin begründet, dass die Metropolregion München zu den lebenswertesten und wirtschaftsstärksten Regionen der Welt gehört. Vor diesem Hintergrund besteht aktuell kein Nachfragemangel. Welche Auswirkungen die Corona-Krise diesbezüglich hat, lässt sich bisher noch nicht abschließend einschätzen. Es ist davon auszugehen, dass die Münchner Mischung in den Stadtvierteln, d. h. im Neben- und Miteinander verschiedener Einkommensgruppen innerhalb der Quartiere, auch weiterhin wesentlich zur Attraktivität Münchens beitragen wird. Diese Mischung sichert vielfältige Viertel, die wiederum interessant für Investitionen sind. Die Erhaltungssatzungsgebiete in München sind deswegen ein wichtiges städtebauliches Mittel dafür, dass die angestammte und sozial gemischte Bevölkerung in diesen Gebieten weiterhin wohnen und leben kann.

Als Kommunalreferentin sehe ich die aktuell größte Herausforderung darin, welche spürbaren Auswirkungen die Corona-Krise auf den Münchener Immobilienmarkt haben wird. Noch liegen zu wenig Marktdaten vor, um eine gesicherte Prognose zu wagen. Darüber hinaus bedarf es auch künftig nachhaltigen Anstrengungen, um München in Zukunft für die breite Bevölkerungs-struktur lebens- und liebenswert zu erhalten – insbesondere bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

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SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH: Was ist Ihre Vision von München 2050?

Kristina Frank: München wird 2050 immer noch so lebens- und liebenswert sein wie heute. Gemeinsam mit dem Umland wird München neue Wege, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu sichern, finden und dabei von den Vorteilen der Digitalisierung im öffentlichen wie auch im privaten Leben deutlich profitieren.

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Kristina Frank | Vita

  • 1987 – 1991: Grundschule an der Grandlstraße, München-Obermenzing
  • 1991 – 2000: Max-Planck-Gymnasium, München-Pasing
  • 2000 – 2004: Studium der Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität, München
  • 2004 – 2006: Referendariat im Landgerichtsbezirk München I in München, Jakarta (Indonesien) und Sydney (Australien)
  • 2001 – 2006: Persönliche Referentin des Staatsministers der Justiz a.D. Alfred Sauter, MdL
  • 2006 – 2009: Rechtsanwältin in der Kanzlei Dechert LLP, München.
    Tätigkeitsfelder: Private Equity, Corporate & Securities, Finance & Real Estate, Mergers & Acquisitions, Venture Capital
  • 2009-2013: Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft München II.
    Zuständigkeit: Kapitalverbrechen, Allgemeine Strafsachen, Strafvollstreckung und unerlaubtes Glücksspiel
  • 2013-2018: Richterin am Landgericht München I. Zuständigkeit: Allgemeine Zivilsachen und Banken- & Kapitalmarktsachen
  • 2014-2018: ehrenamtliche Stadträtin der Landeshauptstadt München, u.a. stellvertretende Fraktionsvorsitzende
  • seit 2014: Mitglied des Bezirksausschusses 9 (Neuhausen-Nymphenburg)
  • seit 2018: Kommunalreferentin der Landeshauptstadt München, berufsmäßige Stadträtin
    Grundstücksvorratspolitik und Facility Management der Stadt einschließlich des Bewertungsamtes und des GeoDatenServices; 1. Werkleiter der städtischen Eigenbetriebe Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM), Markthallen München (MHM), Stadtgüter München (SgM). Städtische Forstverwaltung