Nachverdichtung ohne Flächenversiegelung?

Katrin Habenschaden (Die Grünen) ist seit der letzten Kommunalwahl zweite Bürgermeisterin der neuen Koalition in der Landeshaupt München. Als Grünenpolitikerin ist es ihr eine Herzensangelegenheit, die Grünflächen in München zu schützen. Gleichzeitig ist die Lage auf dem Immobilienmarkt angespannt und neue Wohnungen werden gebraucht. Dr. Bernhard Bauer, Geschäftsführer der SIS-Sparkassen-Immobilien-Service GmbH, hat sich mit Katrin Habenschaden über dieses Spannungsverhältnis ausgetauscht.

14.07.2020 | Unkategorisiert

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Im Gespräch mit Katrin Habenschaden

Gleich zu Beginn bestätigt Habenschaden, dass das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Münchener Immobilienmarkt schon länger in keinerlei Relation mehr zueinanderstehen. In Folge dessen „explodieren die Preise“ und Verdrängungseffekte kleiner bis mittlerer Gehaltsgruppen und Familien setzen ein. Dies sei eine Gefahr für die „Münchner Mischung“, also für einen Mix aus Einwohnern aller Einkommensgruppen. „Damit der Wirtschaftsstandort München auch in Zukunft noch attraktiv bleibt, muss bezahlbares Wohnen in München erhalten und geschaffen werden“, so Habenschaden.

Park

Jedoch ist das Schaffen von Wohnraum in der Landeshauptstadt keine leichte Aufgabe, zumal München als die deutsche Stadt mit dem höchsten Anteil an versiegelter Fläche gilt. Schon heute sind 47% des Stadtgebiets asphaltiert oder verbaut. Der Erhalt der Parks, Gärten und Erholungsflächen seit für das Stadtklima unerlässlich, so Habenschaden. Dem gegenüber steht das „Grundrecht auf Wohnen“, wie es die Bürgermeisterin nennt. Hierfür wolle die Stadt „bereits versiegelte Flächen umwidmen und die rechtlichen Instrumente zum Bauen endlich voll ausnutzen.“ Hierzu zähle die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Münchner Norden und Nordosten.

Bezahlbaren Wohnraum kann man in höheren Häusern schaffen, aber nicht in Hochhäusern.“

Katrin Habenschaden, 2. Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München

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Auf die Frage nach dem Bau in die Höhe reagiert Habenschaden zurückhaltend: „Nicht die Höhe ist entscheidend, sondern ob sich ein hohes Gebäude in die Umgebungsbebauung einfügt.“ Sie erwarte endlich wieder Furore um Architektur in der Landeshauptstadt. Hochhäuser seien jedoch auch nicht die Lösung der Wohnungsnot, da sie aufgrund von Baukosten durch Sicherheitsregelungen und Vorschriften nicht für bezahlbaren Wohnraum sorgten. „Bezahlbaren Wohnraum kann man in höheren Häusern schaffen, aber nicht in Hochhäusern.“

Eine der beliebtesten Wohnlagen ist das Glockenbachviertel. Rund um den Gärtnerplatz stehen Gründerzeitquartiere: kompakte Bauweise mit hoher Einwohnerdichte, kombiniert mit einer Vielfalt an Straßenräumen und Plätzen. Flächeneffizient und sozial förderlich – eine gute Kombination. Habenschaden meint, dass sich die Attraktivität von Wohngebieten durch eine gute Infrastruktur und einen hohen Freizeitwert definiert. Deshalb soll bei Neubaugebieten neben bezahlbarem Wohnraum auch auf ausreichend Grünflächen, eine gute öffentliche Anbindung, ein breites Nahversorgungsangebot, attraktive Architektur, eine soziale Infrastruktur, Spiel-und Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche sowie kulturelle Angebote geachtet werden.

Gärtnerplatz

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Bei diesen Überlegungen, darf natürlich auch das Thema Mobilität nicht zu kurz kommen. Habenschaden betitelt es als „eines der entscheidenden Themen, mit der sich die Stadtpolitik auseinandersetzt. Mobilität ringe mit im Kampf um die Stadtflächen, weshalb ein massiver Ausbau der Öffentlichen Verkehrsmittel notwendig sei. Durch schnelle, zuverlässige und kostengünstige Angebote soll der ÖPNV spürbar verbessert und so die Attraktivität erhöht werden. „Das bedeutet nicht nur eine erhöhte Lebensqualität, sondern ist auch ein Standortfaktor für die Wirtschaft“, ergänzt Habenschaden.

Um möglichst vielen Menschen bezahlbares Wohnen zu ermöglichen, müssen Steuergelder effizient eingesetzt werden. Deshalb seien Fördermittel umverteilt worden, um den Mietwohnungsbau gegenüber dem Eigentumserwerb, auch nach dem früheren Münchner Modell, zu stärken. Damit würde den 75 Prozent Mieterinnen und Mietern der Landeshauptstadt deutlich geholfen.

„Auch in 30 Jahren soll München eine Stadt für alle sein“. Mit diesen Worten leitet die Bürgermeisterin ihre Vision vom München 2050 ein. Dafür müsse für ausreichend bezahlbaren Wohnraum gesorgt und gleichzeitig die Grünflächen geschützt und ausgeweitet werden. Die Vision zeigt ein klimaneutrales München mit Vorbildfunktion für ganz Europa. Top ausgebauter kostenloser ÖPNV sowie emissionsfreie Shared-Mobility-Modelle würden für eine Reduktion des CO2-Ausstoßes sorgen – „im Interesse unserer Kinder und Enkel“ plädiert Habenschaden. Voraussetzung für diese ambitionierten Ziele wäre eine weiterhin erfolgreiche Wirtschaft, um die finanzielle Grundlage dafür zu schaffen. „Eine klimafreundliche Wirtschaft und ein wirtschaftsfreundliches Klima sind kein Widerspruch“ sagt die Bürgermeisterin zum Schluss. Gemeinsam freuen wir uns auf ein weiterhin lebens- und liebenswertes München, welches wir alle zusammen mitgestalten können!